Tideland

Tideland
© Concorde Home Entertainment

Terry Gilliam ist in seiner Arbeit oft nicht gerade vom Glück verfolgt, aber statt sich davon abschrecken und in kommerzielle Schemata drängen zu lassen, nimmt er den Kampf jedes Mal aufs Neue auf, so seltsam die Ergebnisse seines Schaffens auch sein mögen. Skurrilität ist daher eine Eigenschaft, die alle seine Filme teilen. Tideland bildet in dieser Hinsicht auch keine Ausnahme.

Als die elfjährige Jeliza-Rose (Jodelle Ferland) ihre Mutter (Jennifer Tilly) durch eine Überdosis Drogen verliert, bricht ihr nicht minder abhängiger Vater (Jeff Bridges) mit ihr in die Einsamkeit Texas‘ auf, um zum Haus seiner Mutter zurückzukehren. Im heruntergekommenen, verlassenen Haus angekommen, lässt er sich von seiner Tochter – wie üblich – einen Schuss setzen. Ein Schuss zu viel, denn auch er segnet das Zeitliche; allerdings von Jeliza-Rose unbemerkt. Fortan bleibt er gemütlich in seinem Schaukelstuhl sitzen und verwest vor sich hin, während seine Tochter Streifzüge in die Umgebung unternimmt und auf sehr eigenartige Menschen wie die hexenhafte Dell (Janet McTeer) und ihren geistig zurückgebliebenen Bruder Dickens (Brendan Fletcher) trifft.

Die Erzählperspektive bleibt dabei stets so nah wie möglich bei Jeliza-Rose und lässt selbst die schrecklichsten Dinge durch unschuldige Kinderaugen betrachten. Ihre Alice-In-Wonderland-artige Reise driftet nämlich nicht selten ins Morbide, Perverse oder gar Abartige ab, ohne den kindlichen Zauber zu verlieren. Ein schmaler Grat, den Gilliam durchaus meistert. So ist der viel ältere, geistig zurückgebliebene Dickens zunächst zwar nur ein Spielpartner für Jeliza-Rose, entwickelt sich aber zu einer Art Verlobter für das Mädchen und lässt Gilliam damit natürlich brisante Themen wie Pädophilie streifen. Auch leicht nekrophile Anlagen finden sich beispielsweise in Form der auf einem Auge blinden Dell wieder, die sich um ihre längst verstorbene Mutter kümmert, als wenn diese es bedürfe. Durch die Kinderaugen Jeliza-Roses betrachtet, werden diese Eigenarten einerseits verharmlost, andererseits durch gerade diese Konstellation zwischen unschuldigem Kind und fremdartiger Perversion intensiviert.

In ästhetischer Hinsicht werden dem Zuschauer stimmige Bilder der ländlichen, texanischen Pampa präsentiert, die einen unterschwelligen Hauch von Abenteuer versprühen, was Jeliza-Roses Ausflüge passend unterstreicht. Musikalisch bleibt Tideland ziemlich unauffällig und tut sich weder positiv, noch negativ hervor.
Bei aller wunderbaren Skurrilität und Surrealität, die den Erlebnissen von Jeliza-Rose innewohnt, muss sich der Film jedoch den Vorwurf gefallen lassen, vor allem im Mittelteil ebenso ziellos umherzuwandern wie das elfjährige Mädchen. Terry Gilliam hat die Dramaturgie etwas vernachlässigt und stattdessen alles einfach mal auf sich zukommen lassen. Dadurch entstehen gewisse Längen, deren Spannungslevel nicht allzu hoch ist, aber wer darüber hinwegsehen kann, bekommt ein ordentliches, merkwürdiges, ja gilliameskes Drama serviert, das allerdings nicht an die alten Meisterwerke des Regisseurs, Brazil (1985) oder Twelve Monkeys (1995), heranreicht.

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