Yojimbo

Yojimbo FilmplakatMit Yojimbo schuf Akira Kurosawa wohl einen der interessantesten und prägendsten Samuraifilme seiner Laufbahn. Der gekonnt gestrickte Plot um den mysteriösen Rōnin Sanjuro, der die beiden mächtigsten Männer eines Dorfes gegeneinander auszuspielen versucht, verleitete mehrere US-Regisseure zu in anderen Settings angesiedelten Remakes, doch der Charme des japanischen Originals bleibt bis heute unerreicht.

Ein Rōnin (überragend: Toshirô Mifune) kommt in ein Dorf, das aus den gewohnten Bahnen geraten ist. Blutige Machtkämpfe stehen an der Tagesordnung, bei denen zwei befeindete Banden unter ihren Anführern Ushitora (Kyû Sazanka) und Seibei (Seizaburô Kawazu) um die Vorherrschaft kämpfen. Der Rōnin, der sich lediglich als Sanjuro vorstellt (was in etwa mit „30-jähriger“ übersetzt werden kann), plant, die beiden Gruppen gegeneinander auszuspielen, um den Frieden im Dorf wiederherzustellen. Nachdem er drei Leute aus Ushitoras Bande umbringt, ist jeder von seiner außerordentlichen Kampfkraft überzeugt. Zunächst heuert er zwar bei Seibei an, um diesem seine Dienste anzubieten, aber fortan wechselt er immer wieder auf geschickte Art und Weise die Seiten, um die Banden nach und nach auszulöschen. Als jedoch Ushitoras mit einem Revolver bewaffneter Bruder Unsouke (Tatsuya Nakadai) von einer Reise ins Dorf zurückkehrt, droht die Lage zu eskalieren, denn Unosuke misstraut Sanjuro und deckt schließlich seine Absichten auf.

Yojimbo beeindruckt zum einen durch seine spannende, wendungsreiche Handlung, die vor allem vom wortkargen und undurchsichtigen Samurai Sanjuro getragen wird. Schon früh ist ersichtlich, dass Sanjuro keinen typischen glanzvollen Helden abgibt; im Gegenteil: Kurosawa porträtiert ihn  als geheimnisvollen, gewaltbereiten Mann, der seine eigenen Grundsätze verfolgt. Das Bild des moralisch guten, hilfsbereiten Rōnin, das durch zahlreiche vergange Samuraifilme geprägt wurde, wird in Yojimbo auf zynische Weise pervertiert. Zugleich ist man sich als Zuschauer nie wirklich über die tatsächliche Motivation des verschlossenen Protagonisten bewusst. In einem Moment scheint es eine gute Absicht zu sein, im nächsten Moment die Gier nach Geld, nur um  sich dann wieder als wilkürliche Freude am allgemein ausufernden Geschehen zu präsentieren. Das kommt besonders gut zur Geltung, nachdem Sanjuro einen teuren Vertrag eingeht, ihn anschließend bricht und danach auf einen Hochsitz klettert, um sich ein Geplänkel zwischen den Banden anzusehen, als sei es ein Theaterstück. Tatsächlich inszeniert Sanjuro die ganze Geschichte durch seine andauernden Tricks und Seitenwechsel wie sein eigenes kleines Drama, in dem er Schauspieler, Regisseur und Zuschauer zugleich ist.

Neben moralisch zwielichtigen Charakteren ist es auf der anderen Seite auch besonders die Atmosphäre, die Kurosawa durch seine Ästhetik erzeugt. Verängstigte Bewohner in ihren Häusern, ein Sargmacher, der an den Auseinandersetzungen besonders gut verdient und eine staubige Hauptstraße, die in typischer Westernmanier für Showdowns dient. Kein Wunder also, dass Yojimbo maßgeblichen Einfluss auf den Italo-Western hatte. Nur drei Jahre später kam dementsprechend auch mit Für eine Handvoll Dollar ein Remake von Sergio Leone heraus, der weithin als Begründer und wichtiger Vertreter des Italo-Western-Genres gilt. 1996 erschien mit Last Man Standing (Walter Hill) schließlich ein weiteres Remake, das zwar in der Prohibitionszeit angesiedelt ist, aufgrund seines Handlungsortes Texas jedoch wieder einmal für Westernatmosphäre sorgt.

Ohne Zweifel lässt sich sagen, dass Kurosawas Yojimbo als einflussreicher Meilenstein der Filmgeschichte betrachtet werden sollte und obwohl man ihm besonders bei so manchen Kampfszenen noch das Alter leider zu deutlich anmerkt, bleibt der Gesamteindruck aufgrund einer überlegt konzipierten Handlung und eines starken Toshirô Mifune, der den Sanjuro hervorragend verkörpert, äußerst positiv.


Originaltitel: Yojimbo
Regie: Akira Kurosawa
Drehbuch: Akira Kurosawa, Ryuzo Kikushima
Produktionsland: Japan
Produktionsjahr: 1961

Copyright der Bilder: New KSM

6 Gedanken zu “Yojimbo

  1. Eine feine Rezension dieses Genre-Meilensteins. Inhaltlich volle Zustimmung von mir!
    YOJIMBO prägte das Chambara-Genre über Jahrzehnte. Sanjuro wurde der Prototyp des zynischen ehr- und gesetzlosen Ronins, der dutzende – mal mehr, mal weniger gelungene – Genrestreifen bevölkern sollte. Davor dominierte das verklärte Bild des edlen heldenmütigen Samurais den japanischen Jidai-geki und erst durch die SIEBEN SAMURAI und dann endgültig mit YOJIMBO, wurde diese historische Lüge demontiert, als hohles Pathos entlarvt. Kennst du Kurosawas Fortsetzung SANJURO? Ein zwar nicht ganz ebenbürtiger Nachfolger, aber mit einem der beeindruckensten finalen Duelle der Genregeschichte gesegnet.

    Im Übrigen schätze ich aber Kurosawas SIEBEN SAMURAU, RASHOMON, DERSU USALA, RAN, IKIRU, THE BAD SLEEP WELL, ROTBART, DAS SCHLOSS IM SPINNWEBWALD und weitere seiner Filme weitaus mehr als YOJIMBO. Verdammt, Kurosawa hat einfach viel zu viele großartige Filme geschaffen.

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    1. „Sanjuro“ habe ich auch bereits gesehen, ja. Kein schlechter Film, aber natürlich nicht ganz so stark wie „Yojimbo“. Das Duell ist aber tatsächlich grandios.

      Oh und „Die sieben Samurai“ ist auch großartig. Ich habe von Kurosawa zwar erst 5 Filme gesehen und dementsprechend noch einiges vor mir, wie unter anderem „Ran“, aber bisher ist „Yojimbo“ irgendwie doch mein Favorit.
      „Das Schloss im Spinnwebwald“ ist auch gut, hat aber bei mir einen leicht negativen Nachgeschmack, weil ich an dem Abend damals eine neue spannende Geschichte sehen wollte und nicht sozusagen Macbeth in Japan. Aber gut umgesetzt ist es natürlich dennoch.

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      1. Nun, da ich zuvor schon wusste, dass DAS SCHLOSS IM SPINNWEBWALD eine Shakespeare-Variante bietet, konnte mich die Handlung des Films nicht negativ überraschen – im Gegenteil!
        Für mich ist es (neben Roman Polanskis Version) die beste Macbeth-Verfilmung die ich kenne.

        RAN steht stilistisch diesem Werk sehr nahe und verquickt geschickt Elemente von Shakespeares KING LEAR und der alten japanischen Legende von den drei Pfeilen (3 Brüdern des Mori-Clans) miteinander.

        Auffällig ist die an das Kabuki- und No-Theater gemahnende Ausarbeitung der maskenartigen Charaktere, die stark geschminkten Gesichter, die archetypischen Verhaltensmuster, die nicht umsonst auch an altgriechische Tragödien erinnern (z.B. Medea oder Ödipus).

        Beeindruckt haben mich die genuine Farbgestaltung und die düstere endzeitliche Atmosphäre, die den Film durchdringt. Ein zeitlos dystopischer Alptraum, der Zerfall des gesellschaftlichen Kerns, der Familie.

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  2. Wie gewohnt: Eine spannende Besprechung. Du nimmst meinem Blogger-Freund „mono.micha“ (Schneeland), der sich vornahm, das Jahr, in dem wir Kurosawas 100. Geburtstag gedenken, mit möglichst vielen Erinnerungen an seine Filme zu würdigen, einen Haufen Arbeit ab. ;)

    Da du dich offenbar sehr für japanische Filme interessierst, erlaube ich mir dich auf einen ausserordentlich informativen Blog, den auch ich erst kürzlich entdeckt habe, hinzuweisen: http://im-wald-des-tapio.blogspot.com/
    – Der Verfasser widmet sich ganz der japanischen Kultur (Film, Literatur, Musik), und seine Beiträge sind für mich bereichernd. Könnte dich interessieren.

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    1. Durch deinen Kommentar fällt mir erst auf, dass ich hier tatsächlich mehr japanische Filme rezensiere, als ich dachte. Spezialisiert habe ich mich prinzipiell zwar nicht darauf, aber ja, man könnte sagen, japanische Filme interessieren mich. Auch Japan allgemein eigentlich. Von daher könnte der Blog ganz interessant sein, mal sehen. Danke jedenfalls dafür. =)

      Ach und ich hab gesehen, dass ich auf deinem Blog in der Blogroll auftauche. Wusste ich bis jetzt auch nicht. Habe dich jetzt natürlich auch umgehend bei mir verlinkt.

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      1. Vielen Dank für die Gegenverlinkung! Du hast es verdient, in meiner Blogroll aufzutauchen. – Ich möchte, obwohl auch ich noch längst nicht mit der Besucherzahl eines Top-Bloggers glänzen kann, nach der Besprechung des Films, der mein Geschwätz über Byron rechtfertigen soll, sogar gerne ein wenig Werbung für „Mise En Cinéma“ und „Tief in den Wäldern“ machen, weil auf gute Blogs, die noch nicht überall „Antrittsbesuche“ absolvieren konnten, hingewiesen werden muss. – Und nach zwei anschliessenden Wochen „Ferien“ werde ich dann meinen allerersten japanischen Film besprechen – womit ich mich vermutlich der allgemeinen Lächerlichkeit preisgebe. ;)

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