Possession

Possession

Sam Neill bezeichnete einmal Andrzej Żuławskis Possession als seinen besten ausländischen Film, in dem er je mitspielte. Und auch heute noch gilt das bizarre Horrordrama bei Cineasten als Kultstreifen des europäischen Arthousefilms und als eines der zentralen Werke im Schaffen des polnischen Regisseurs.

Die Ausgangslage der Handlung ist dabei zunächst einmal recht gewöhnlich und bietet allen Stoff für ein konventionelles Beziehungsdrama. Mark (Sam Neill) kehrt nach einer langen Geschäftsreise nach Berlin zurück, nur um zuhause festzustellen, dass sich seine Frau Anna (Isabelle Adjani) in der Zwischenzeit von ihm derart distanziert hat, dass sie vorhat, ihn mit dem fünfjährigen gemeinsamen Sohn Bob zu verlassen. Der Grund dafür ist naheliegenderweise ein anderer Mann. Von seinen Emotionen getrieben, sucht Mark besagten Neuen in Annas Leben auf, den narzisstischen Heinrich (Heinz Bennent). Doch dem ist er nicht gewachsen. Die Situation beginnt aussichtsloser zu werden. Und als wären die Probleme nicht ohnehin schon groß genug, dass die hysterischen Streitereien zwischen Mark und Anna bisweilen drastisch eskalieren, beginnt das Drama spätestens dann in finstere Abgründe zu gleiten, als Mark mittels eines Privatdetektivs herausfindet, dass seine Frau sowohl ihn, als auch Heinrich mit einem weiteren Liebhaber betrügt. Dieser jedoch ist eine gefährliche, schleimige, nichtmenschliche Abscheulichkeit besonderen Ausmaßes.

Entfremdung ist das Stichwort, eines der Hauptmotive, dem Żuławski zum einen mit der tatsächlichen physischen Absonderlichkeit in Form der widerwärtigen Kreatur Ausdruck verleiht. Auf der anderen Seite wird der Zuschauer stets mit Situationen konfrontiert, die die Frage nach Menschlichkeit, nach dem Mensch sein stellen. Besonders Annas geistiger Wandel in psyschiche Finsternis steht im Blickpunkt. Isabelle Adjani spielt mit kraftvollem Wahnsinn eine Frau, die in ihrer Besessenheit tatsächlich fast schon mehr einem Dämonen als einem Menschen gleicht. Weit aufgerissene Augen und hysterische Schreie sind nur der Anfang in ihren immer heftiger ausartenden physischen und psychischen Konflikten mit ihrem Mann Mark. Doch auch der scheint die gesamte Situation mehr schlecht als recht zu verkraften. Wirkt er anfangs ordentlich, ruhig und sachlich, ist er im weiteren Verlauf des Filmes immer weniger wiederzuerkennen. Insgesamt ist natürlich auch der Film selbst vor allem durch Annas neuesten „Freund“ im Prozess einer Art Entfremdung von Drama mehr und mehr zu surrealem Horror. Ein weiteres wichtiges Motiv ist natürlich die Trennung, die bereits in der Eingangsszene mit dem Anblick der Berliner Mauer symbolisch angedeutet und schließlich zum Unterbau der Handlung wird. Als Zuschauer wird man allerdings nie ganz das Gefühl los, dass sich Mark und Anna all ihrem Zorn zum Trotz  nicht völlig trennen wollen oder können. Anziehung und Ekel wechseln sich so immer wieder ab und erzeugen eine emotionale Achterbahnfahrt der besonderen Art.

Auf visueller Ebene fällt natürlich in erster Linie das Monster auf. Żuławski zeigt uns hier ein glitschiges Tentakelding, das ein David Cronenberg nicht besser hätte hinbekommen können. Die Kamera des Films darf getrost als nervös bezeichnet werden. Gerade die besonders starken Szenen werden in ängstlich ausweichenden Bildern festgehalten, um die Wirkung zu intensivieren. Das verlangt vielleicht ein bisschen Eingewöhnung, unterstreicht die Atmosphäre allerdings vorzüglich.

Possession ist eine groteske Mixtur aus Beziehungsdrama und Monsterhorror voll von Symbolen, Schleim, Blut und intensivem Schauspiel. Ein beeindruckender Film mit einer groß aufspielenden Isabelle Adjani.

2 Gedanken zu “Possession

  1. Ich kann dir eigentlich in allen Punkten nur zustimmen, ein wirklich besonderer Film und eine gelungene Rezension. Ergänzend würde ich noch auf die politische Dimension hinweisen, denn der aus seiner polnischen Heimat geflohene Zulawski hat aus gutem Grund das Berlin der 80er Jahre als Schauplatz gewählt. Die Teilung Europas spiegelt sich im Zerfall des sozialen Nukleus, der Familie, eine fundamentale Kritik an der Existenz des eisernen Vorhangs, am menschenverachtenden Kalten Krieg. Und über allem Irrsinn der Handlung liegt drohend der Schatten atomarer Vernichtung.

    In seinen apokalyptischen Schlussminuten, in dem die metamorphe Lebensform, das irrationale Element vor der Tür auf Einlass drängt, bricht das atomare Feuer los und aller bizarrer Horror, die im Zerfall begriffene Hassliebe, die menschliche Monstrosität, wird vor dem Grauen des Krieges bedeutungslos und schrumpft zu einem Nichts.

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    1. Danke für deinen Kommentar. Du hast schon Recht, das habe ich wohl bei der Rezension nicht bedacht. Ist jetzt auch schon wieder etwas her, dass ich den Film sah und anscheinend blieb mir das abgründige Zwischenmenschliche eher im Gedächtnis als die politische Bedeutung des Settings. Vielleicht füge ich das noch hinzu, aber muss ich mir erstmal zurechtlegen und Gedanken machen.

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