Nach Shotgun Stories (2007) und Take Shelter (2011) ist der 2012 gedrehte Mud nun der dritte Film von Jeff Nichols und einmal mehr sind sich die Kritikerstimmen einig, dass der Mann sein Regiehandwerk versteht.
Mud atmet den Geist von Mark Twains Huckleberry Finn, wenn er die Geschichte zweier aufgeweckter Jungs namens Ellis (Tye Sheridan) und Neckbone (Jacob Lofland) erzählt, die auf einer überwucherten Insel mitten im Mississippi ein Boot in einem Baum entdecken. Zur jugendlichen Abenteuerlust gesellt sich schnell eine gewisse Vorsicht, aber auch eine ungeahnte Faszination, wenn sie dem Bewohner des gestrandeten Gefährts begegnen, dem geheimnisvollen Mud (Matthew McConaughey). Er warte hier auf seine Freundin, so sagt er, Ellis und Neckbone könnten ihm behilflich sein, wenn sie ihm Lebensmittel auf die Insel brächten. Mud umgibt eine Aura, der man sich nicht entziehen kann, ein rauher Charme, und je mehr Ellis über ihn erfährt, desto romantischer und heroischer wird sein Eindruck, bis er schließlich erkennen muss, dass nicht alles so funktioniert, wie man es sich vorstellt, und die Menschen, die man liebt und respektiert, ebenfalls Fehler machen; Fehler, die weitreichende Konsequenzen nach sich ziehen können.
Oscarpreisträger Matthew McConaughey spielt die Rolle des charismatischen Mud absolut überzeugend. In ihm steckt so ein wenig das Gefühl von einer ehrlichen Haut, von einem guten Menschen, obwohl sich diese Wahrnehmung auch durchgehend mit berechtigten Zweifeln konfrontiert sieht, denn der Mann, der nie zwei Nächte in Folge am gleichen Ort schläft, wird nicht nur polizeilich gesucht, sondern auch von einigen mehr als zwielichtigen, gewaltbereiten Typen in ihren schwarzen Autos. Die wahren Stars des Films sind jedoch die Jungdarsteller Sheridan und Lofland ind den Rollen von Ellis und Neckbone. Insbesondere ersterer glaubt allen Bedenken und Widrigkeiten zum Trotz an Mud, versteckt er sich schließlich wegen einer Tat, die er aus Liebe begangen hat.
Die Liebe, so edel sie als Motiv auch ist, bringt allerdings so einige Probleme mit sich. Zentral für die Filmhandlung ist nämlich nicht nur die ungewöhnliche Unterstützung, die Ellis dem Flüchtigen gewährt, sondern auch der ganz gewöhnliche Alltag des Jungen, mit seinen menschlichen Problemen, die die Jugendträume, die romantische Vorstellung von der Beschaffenheit der Welt brüchig werden lässt. Sei es die Liebe seiner Eltern, die nach all den Jahren entschwunden zu sein scheint, um der drohenden Scheidung Platz zu machen oder die naive Verliebtheit Ellis‘ in ein Mädchen, die sich als komplizierter und schmerzhafter erweist als angenommen: Nichols‘ Film ergründet den komplexen Prozess des Erwachsenwerdens mit einer sympathischen Authentizität. Das alles wäre jedoch nur halb so gut, wenn Tye Sheridan seine Figur nicht mit einer solchen Hingabe und Natürlichkeit verkörpern würde, irgendwo zwischen jugendlicher Kraft und emotionaler Verletzlichkeit.
Die Kamera fängt dazu Bilder ein, deren Kompositionen sich niemals aufdrängen. Ästhetisch fließt Mud wie sein Handlungsort, der Mississippi, ohne Brüche, majestätisch, doch gleichermaßen zurückhaltend. In der subtilen Schönheit der Natur äußert sich das herzliche Südstaatenflair, mit dem sich der in Arkansas aufgewachsene Regisseur bestens auskennt. Er inszeniert mit Kameramann Adam Stone das kleine Städtchen, den Fluss, die Insel zwar als die gewöhnlichen Orte, die sie sind, doch nie zu unbedeutend, nie so, dass die Magie nicht mehr spürbar ist. Das erinnert in seiner Form positiv an die visuelle Kraft eines Emmanuel Lubezki, wenn er für Terrence Malick arbeitet.
Mud ist ein gefühlvolles Coming-of-Age-Drama über Freundschaft, Abenteuer, Romantik und die manchmal bittere Realität, vor allem aber über die Liebe, wie eine allgegenwärtige Sonne, um die sich sämtliche Emotionen und Handlungen drehen. Ein Film über die Jugend, über das Heranwachsen, ohne jedoch ein Abgesang zu sein. Schön und wahrhaftig.