Ghost in the Shell 2: Innocence

Ghost in the Shell 2 - Innocence

Wenn man einen Klassiker des Animationsfilms dreht, der den Test der Zeit besteht und auch heute noch ein ganzes (Sub-)Genre prägt, und schließlich neun Jahre später ein Sequel in Angriff nimmt, darf das getrost als wagemutig bezeichnet werden. Doch auch angebrachte Skepsis hielt Mamoru Oshii nicht davon ab, seinem Cyberpunk-Meisterwerk Ghost in the Shell (1995) einen weiteren Film folgen zu lassen, erneut auf einem Teil der Mangavorlage von Masamune Shirow basierend.

Ghost in the Shell 2: Innocence spielt 2032, drei Jahre nach den Ereignissen des ersten Teils, und erzählt erneut von einem Fall für Sektion 9, der Spezialeinheit zur Bekämpfung von Cyberterrorismus. Cyborg Batō (Akio Ôtsuka) wird damit beauftragt, herauszufinden, was eine Reihe für sexuelle Befriedigung konstruierte Androiden dazu trieb, ihre Besitzer zu töten. Die Suche nach dem Urheber dieser scheinbaren Fehlfunktion führt ihn mit seinem Kollegen Togusa (Kôichi Yamadera) immer tiefer ein gefährliches Netz aus Hackern, Yakuza und tödlichen Begleitpuppen, die mehr zu sein scheinen als bloß modifizierte Roboter.

Einmal mehr, wie bereits im Vorgänger, versteht Oshii seinen Film nicht als rasanten Thriller, sondern vor dem Hintergrund des ungewöhnlichen Kriminalfalls als ruhiges, äußerst nachdenkliches Werk, das abseits der vereinzelten, dynamisch inszenierten Auseinandersetzungen zum Philosophieren einladen soll. Wenngleich die etwas zu häufige Nutzung von Aphorismen großer Namen zur Plakativität neigt, sind die Überlegungen und Diskussionen zwischen Batō und Togusa hochinteressante Ansätze zum Thema Dualismus von Körper und Geist oder zur Frage nach der Möglichkeit einer Seele in der Maschine.

Audiovisuell spielt der Film zweifellos in der oberen Liga. Für den Soundtrack ist erneut Kenji Kawai verantwortlich, der es schafft, die beiden Filme mit seinen altjapanischen Choralgesängen und dem Einsatz von Taiko-Trommeln auch musikalisch zu verbinden. Trotz des starken Kontrasts zwischen der Science-Fiction-Thematik und der folkloristisch anmutenden Vertonung, wirken die Kompositionen nie wie ein Fremdkörper.
Auch ästhetisch orientiert man sich am ersten Teil, greift aber aufgrund der neuen technischen Möglichkeiten nun auf den gelegentlichen Einsatz von dreidimensionalen CGI-Elementen zurück, die die Zeichnungen in ausgewählten Szenen unterstützen sollen. Das wirkt teilweise ein wenig befremdlich, manchmal sogar unpassend, ist an der ein oder anderen Stelle aber dennoch ganz gut gelungen. Zeichen- und Animationsqualität sind erwartungsgemäß hervorragend, die detailreichen Hintergründe wunderschön gestaltet.

Fans von Ghost in the Shell können alle Zweifel über Bord werfen, denn statt ein verwässertes, für die Massen aufbereitetes Sequel zu drehen, das sich vordergründig auf Action konzentriert, hält Oshii an seiner Linie fest und wagt wieder den philosophischen Diskurs im schön bebilderten Cyberpunkgewand. Obwohl der noch kultigere, rundere Vorgänger qualitativ nicht ganz erreicht wird, braucht sich Ghost in the Shell 2: Innocence definitiv nicht zu verstecken, denn von einem überflüssigen oder gar gescheiterten zweiten Teil ist der Film weit entfernt.

3 Gedanken zu “Ghost in the Shell 2: Innocence

  1. Ich fand diesen Teil damals besser, als seinen Vorgänger. Mal abgesehen davon, dass der Film aufgrund des, im Vergleich zum Vorgänger, deutlicheren Erzählfadens, er einfach „leichter“/bekömmlicher zu schauen ist, empfand ich die ganze Thematik ansprechender aufbereitet. Schon allein der Fokus auf die (für mich) interessanteren Figuren Batō & Togusa war Gold wert. Ein sehr angenehmes Sequel, das stimmt.

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    1. Oha, so unterschiedlich kann’s gehen. Ich finde den zweiten Teil nämlich vielleicht sogar etwas „schwieriger“. Möglicherweise liegt das aber auch daran, dass ich den ersten Teil mittlerweile schon ziemlich oft gesehen und deshalb so verinnerlicht habe.
      Aber Batō & Togusa sind schon cool, ja, da finde ich’s dann auch nicht so schlimm, dass man dieses Mal eher wenig von Major Kusanagi mitbekommt.

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      1. Von der Quintessenz könnte der zweite tatsächlich noch anspruchsvoller sein (ist schon so lange her), aber den ersten fand ich anstrengend. Das lag nicht zwangsläufig an den Dialogen, sondern am drumherum.
        Muss gerade mal nachschauen, was für mich damals so gehakt hat…
        Mir wurde vieles immer nur angedeutet und ich hatte oft den Eindruck, dass sich die Handlung absichtlich hinter den Gedankengängen des Films verstecken „musste“. Bei GitS: Innocence sah ich das ganze genau andersrum, wodurch es gleich viel harmonischer wirkte.

        Tja, so ist das mit der Wahrnehmung.

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