It Follows

It Follows - FilmplakatIn einer Welt, in der sich jedes Horrorklischee schon zigfach totgerannt hat, in der jeder zweite Genrebeitrag Familien in ein von Geistern und Dämonen befallenes Haus ziehen oder eine Gruppe Jugendlicher in einer Waldhütte umkommen lässt, sind neue Konzepte ganz besonders gern gesehen. David Robert Mitchell gelang im vergangenen Jahr mit It Follows ein finanzieller Erfolg bei niedrigem Budget. Doch ist sein oft mindestens als ungewöhnlich bezeichneter Film auch die ersehnte Hoffnung am begrenzten Horizont der Horrorfilme?

Der erste Sex ist ein besonderes Erlebnis auf dem Weg zum Erwachsenwerden, doch mit diesem Resultat hat die 19-jährige Jay (Maika Monroe) ganz sicher nicht gerechnet: Ihr neuer Freund Hugh (Jake Weary) übertrug ihr etwas, das schlimmer ist, als jede bekannte Geschlechtskrankheit. Jay ist fortan das letzte Glied einer Kette von Menschen, die von einer undefinierbaren Kreatur verfolgt werden. Im Schritttempo und in Menschengestalt folgt das Wesen unaufhörlich, bis es Jay entweder tötet oder sie diesen sonderbaren Fluch per Geschlechtsverkehr an eine andere Person weitergeben kann.

Es folgt. Es weiß immer, wo du bist und es wird nicht aufhören, bis du tot bist. Sobald es sich eines Opfers entledigt hat, nimmt es sich den Menschen vor, der den Fluch zuletzt weitergegeben hat. Die Menschengestalt dient nur der Visualisierung, dieses nicht greifbaren, unsichtbaren Wesens. Hierin liegt auch die große Stärke von Mitchells Film: Die Angst vor dem Unbekannten. Es gibt keine weiteren Beschaffenheiten seiner Kreatur, keine Schwachstellen, keine speziellen Gegenmittel. Detaillierte Hintergründe oder nachvollziehbare Motivationen nennt Mitchell ganz bewusst nicht. It Follows konfrontiert seine Figuren mit einem bedrohlichen Etwas, bei dem nur sicher ist, dass es nie die Verfolgung aufgeben wird.

Das Setting des gebeutelten Detroit passt sehr schön in die unbehagliche Stimmung, doch de facto ist der Grusel hier nicht auf Ort und Tageszeit angewiesen. Die dank eines hervorragenden Sounddesigns und guter Kameraführung jederzeit spürbare Panik funktioniert auch am hellichten Tag, inmitten von Menschenmassen. Wenn zum Beispiel eine junge Frau ganz am anderen Ende des Campus der Universität in gemächlicher, aber beständiger Geschwindigkeit wie auf einer geraden Linie auf Jay zuschreitet, dann ist das eine Szene, die ohne Kontext kaum bedrohlich wirkt, aber mit dem Wissen um das „Regelwerk“ der Kreatur einen unfassbaren Horror entfaltet. Der Tod kann hinter jedem Gesicht lauern. Mit geschlossenen Türen und Fenstern kann man sich nur wenig Zeit erschleichen.

Das Motiv des sexuellen Erwachens und der Symbolismus der Weitergabe liest sich natürlich nicht zufällig wie eine Parabel auf sexuell übertragbare und gefährliche Erkrankungen wie HIV; die Beziehungskonstellation der Teenager versprüht zudem durchgehend eine Coming-of-Age-Atmosphäre. Der Film hantiert in seiner Ästhetik klar mit Abstraktionen konkreter Probleme, die junge Erwachsene zu bewältigen haben. In seinem Debütfilm The Myth of the American Sleepover (2010) sind ähnliche Themen noch ganz real erfassbar, in It Follows verwandelt Mitchell alles in einen furchteinflößenden Alptraum, der die Betonung auf Sterblichkeit legt.

Es folgt. Im Film und auch noch lange danach. Es nistet sich im Gedächtnis ein und erinnert immer wieder daran, dass es ihn noch gibt, den guten, außergewöhnlichen Horror.


Originaltitel: It Follows
Regie: David Robert Mitchell
Drehbuch: David Robert Mitchell
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2014

Copyright der Bilder: Universum Film

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2 Gedanken zu “It Follows

  1. Hallo Robin,
    habe mir den Film auf deine Empfehlung hin gestern angeschaut. Ist genau die Art von Horror die ich mag – langsam, leise und unheimlich. Auf moviepilot habe ich einen Kommentar zu diesem Film gelesen den ich sehr interessant fand.

    „Big_Kahuna“ schrieb am 18.01.2016 unter anderem folgendes: … dachte ich permanent an eins: die tödliche Sexualkrankheit AIDS. Eine Krankheit, die sich langsam von hinten an den Infizierten heranschleicht und ihn dann zugrunde richtet. Es gibt weder ein Entkommen, noch eine effektive Lösung es dauerhaft von sich fernzuhalten. Man kann sich Zeit verschaffen und flüchten (Medikamente), doch früher oder später kommt der Tod, der viele Gesichter annehmen kann. So wie Jay sich nach Liebe sehnt und verträumt gefühlt stundenlang in den Spiegel guckt und darüber nachdenkt, ob es das richtige ist, bekommt sie Sex mit einem nahezu Fremden im Auto, der wenig mit Liebe zu tun haben scheint. Fortan wird sie von Dämonen heimgesucht, die clever sind (kein Gegenmittel gegen den HI-Virus), aber nur langsam gehen können (es können Jahre vergehen bis der Virus ausbricht).
    Hinzu kommt, dass man nicht erkennen kann, wenn jemand AIDS hat und der VIRUS/DÄMON für die anderen deshalb unsichtbar ist. Aus diesem Grund auch das voyeuristische Spiel am Anfang des Films, dass einen schon mal darauf ausrichtet, fortan nicht nur auf das vordergründige zu achten. Am Anfang noch im warmen Pool der Naivität, muss sich Jay der Verantwortung stellen, fortan infiziert zu sein, wobei ein junger Mensch nicht unbedingt wirklich erkennen wird, was ihm da eigentlich passiert ist. Ein interessante Tatsache ist, dass hier kaum Eltern zu sehen sind und Jay und ihre Freunde stets unter sich sind, was sich damit erklären ließe, dass jeder selbst die Bürde zu tragen hätte, wäre er infiziert und auch die Eltern nicht im Stande wären an dieser Tatsache etwas zu ändern. Hinzu kommt, dass sich jeder selbst damit arrangieren müsste mit einer solchen Krankheiten umzugehen, wobei sie zu bekämpfen sinnlos ist (Strandszene). Unter Umständen werden dabei sogar diejenigen verletzt, die es nicht wahrhaben wollen und die Person lieben, die diese Krankheit hat (ausschließlich Paul wird verletzt). Eine funktionierende Liebe scheint dadurch unmöglich.
    Das ganze findet seinen Höhepunkt in der Schwimmbadszene, bei der alle gemeinsam versuchen den Dämon mit häuslichen Geräten zu zerstören, was in einem Fiasko endet (HIV lässt sich mit „einfachen Mitteln“ nicht im Zaum halten) und metaphorisch alles nur noch schlimmer macht (wie ein ausbrechender Virus wird alles Wasser langsam rot, als würden sich die Farbpartikel durch Zellteilung vermehren). Mit der Aufrichtigkeit Pauls und dem letzten, diesmal aber liebevollen Sex im Film, teilen sie beide das Schicksal infiziert zu sein und werden beide vom Dämon verfolgt.

    Kann es sein dass Mitchell wirklich das Thema AIDS umsetzen wollte?

    Gruß Frank

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    1. Hey!
      Ja, ich bin mir sicher, dass das kein Zufall ist. Das ist mir ja auch aufgefallen. IT FOLLOWS lässt sich über den bloßen Horror natürlich auch als symbolische Darstellung von AIDS interpretieren. Definitiv ein zentraler Aspekt, den Mitchell ganz bewusst so inszeniert hat.

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