Nach dem Erfolg von The Man From Nowhere (2010) war es nur eine Frage der Zeit, bis Regisseur Lee Jeong-beom seinen Fans den nächsten Thriller-Leckerbissen serviert, erneut mit gewichtiger Emotion und packender Action: No Tears for the Dead. Mit seiner Bildsprache ist Lee ohnehin so etwas wie ein ästhetisches Bindeglied zwischen dem koreanischen Kino und Hollywood. Doch im Gegensatz zu seinem vorherigen, mit eher heroischem Tenor versehenen Film, war Lee dieses Mal nicht der große Box-Office-Hit beschert. Vielleicht, weil No Tears for the Dead eine deutlich dunklere Atmosphäre erzeugt, die sich mehr mit den Konsequenzen der Grausamkeit beschäftigt, anstatt ihnen heldenhaft vorauszueilen.
„That was my last job.“ – „And you fucked it up. Now go and fix it!“
Ein Nachtclub in Los Angeles, ein jazziges Cover von „Smooth Operator“, ein Mann (Jang Dong-gun), allein an seinem Tisch, bastelt einen Origami-Kranich. Ein kleines Mädchen vom Tisch gegenüber beobachtet ihn. Anschließend: Hinterzimmer. Der Mann – Gon heißt er, wie wir später erfahren – löst eine zwielichtige Versammlung mit gezielten Pistolenschüssen auf. Das Blutbad endet mit letzten Schüssen durch die Tür, um vermutete Verfolger auszuschalten, doch ein Blick dahinter offenbart das Kind von eben, getroffen und leblos zu Boden sackend.
Ein Job, der kaum schiefer gehen könnte und an die Ausgangssituation von Brügge sehen… und sterben? (2008) erinnert, mit dem Unterschied, dass Gon nicht auf weitere Anweisungen warten soll, sondern von seinem verärgerten Boss den Auftrag bekommt, nach Korea zu fliegen und die Mutter (Kim Min-hee) des Mädchens zu eliminieren. Gon hat Mist gebaut und jetzt muss er die Situation wieder bereinigen. Natürlich lässt sein schuldgeplagtes Gewissen das nicht zu. Mit absichtlich verfehlten Schüssen lässt Gon die Frau zwar am Leben, zieht damit jedoch den Zorn seines – nun ehemaligen – Killerkommandos auf sich.
No Tears for the Dead ist in allem, was der Film bezweckt, nicht gerade zurückhaltend: Die alles überschattende Tragik und Emotionalität ist beinahe zu dick aufgetragen, zu melodramatisch, weil es Lee darum ging, die ganze Schwere von Gons Handeln unmissverständlich spürbar zu machen. Letzten Endes passt es selbstverständlich, denn die Action in der zweiten Hälfte, wenn sich Gon in knallharten Feuergefechten gegen seine Exkollegen wendet und in einem gnadenlosen Katz- und Mausspiel durch ein Hochhäus kämpft, ist in ihrer Inszenierung nah dran an ästhetischer Perfektion. Kein Wunder, denn bereits mit The Man From Nowhere hat Lee bewiesen wie gut er physische Konflikte auf die Leinwand und von dort in Form von Adrenalin in die Körper der Zuschauer transferieren kann. Eine gewisse Coolness lässt sich kaum leugnen und doch ist die Gewalt niemals zelebriert, sondern in letzter Konsequenz unangenehm. Immer dann, wenn sich die Bilder wieder beruhigen, wenn regungslose Körper in Blutlachen am Boden liegen, muss die Ehrfurcht zwangsläufig einem Gefühl von Abscheu ob der Brutalität weichen und lässt eine tatsächliche Glorifizierung gar nicht erst zu.
Wer bereits Gefallen an The Man From Nowhere gefunden hatte, kommt auch bei No Tears for the Dead wieder auf seine Kosten. Der Film ist anders und doch ähnlich. Die emotionale Schwere und die kompromisslose Action sind auch hier das Markenzeichen des Regisseurs.
Originaltitel: U-neun nam-ja
Regie: Lee Jeong-beom
Drehbuch: Lee Jeong-beom
Produktionsland: Südkorea
Produktionsjahr: 2014
Copyright der Bilder: CJ Entertainment
Exzellent. Jang Dong-gun kenne ich bisher zwar nur spärlich, aber in „The Coast Guard“ hat er eine gute Leistung abgeliefert. Mal sehen wie ihm hier die alleinige Titelrolle steht.
Jetzt erwarte ich tatsächlich großartiges von diesem Film! Merci.
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