Der silberne Planet

Der silberne Planet

Eines der härteren Schicksale für jeden Filmemacher ist, wenn das unfassbare geschieht, wenn der Staat in die Kunst eingreift und Beschlagnahmungen und Zensur folgen. Als trauriges Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit muss leider Andrzej Żuławskis Der silberne Planet herangezogen werden. Sein monumentales Science-Ficion-Epos konnte nie ganz fertiggestellt werden und erschien mehr als zehn Jahre nach den Dreharbeiten als fragmentarisches Kunstwerk und Spiegel der politischen Verhältnisse seiner Zeit.

Eine Gruppe von Astronauten auf der Suche nach Freiheit jenseits der Erde stürzt über einem für Menschen bewohnbaren Planeten ab. Mit Kameras ausgestattet dokumentieren sie ihr neues Leben, dass sie fortan am Meer in einem selbst errichteten Dorf führen. Viele Jahre später hat sich eine neue Gesellschaft gebildet; die Nachfahren der Astronauten leben in stammesähnlichen Verhältnissen und stützen ihre schamanistische Religion auf Mythen jener Erdexpedition, deren letzter überlebender Raumfahrer (Jerzy Trela), inzwischen ein alter Mann, sein Videotagebuch vor seinem Tod zur zur Erde zurückschickt. Als der Weltraumforscher Marek (Andrzej Seweryn) nach Erhalt der Aufnahmen zum Planeten reist, wird er als Messias empfangen und soll das neue Menschenvolk im Krieg gegen die Szerns, indigene Vogelwesen, zum Sieg führen.

In faszinierenden Bildern, deren entzogene Sättigung sie zu grünlich-blauen Gemälden einer fremdartigen Welt macht, erzählt Żuławski von nichts geringerem als der Geburt einer Zivilisation. Von den Anfängen als bloße Nachfahren von Astronauten bis hin zur von der Erde losgelösten Kultur, die ihre eigenen Bräuche, Rituale, Legenden und Glaubensrichtungen erschafft: Der silberne Planet wird zum Porträt einer neuen und alten Menschheit, die auf einem fremden Planeten noch einmal von Null beginnt und hinter der oberflächlichen Fassade von Eigenarten nur allzu bekannte, gefährliche Parallelen zur politischen und religiösen Geschichte der Erde entwickelt. Żuławski zaubert daraus einen visuellen Rausch dank einer Kameraführung, die sich mitten hinein begibt, in das Herz des neuen Menschenvolkes und seiner Suche nach Identität. Einmal mehr verlangt der Regisseur von Possession (1981) seinen Schauspielern alles ab, deren Figuren ihre Gefühle und Gedanken nicht selten in existentialistischen Monologen mit Tränen der Verzweiflung oder manischer Wut zum Ausdruck bringen dürfen.

Als epochale, Dekaden umspannende Geschichte einer Zivilisation und ihrer nur allzu menschlichen Entwicklung, wird Der silberne Planet in bisweilen anstrengenden fast 160 Minuten erzählt. Doch, wie eingangs erwähnt, fiel der Film der Zensur zum Opfer und würde locker die 3-Stunden-Marke knacken, wäre Żuławski nicht die damalige Kulturbehörde dazwischen gekommen. Man empfand das Drehbuch mit seinem späteren Konflikt zwischen Menschen und den außerirdischen Ureinwohnern das Planeten als Allegorie auf den Totalitarismus. Die Dreharbeiten wurden 1977 vor Fertigstellung gestoppt und sämtliche Sets und Kostüme wurden verbrannt. Dem bereits abgedrehten Material drohte ebenfalls die Vernichtung, es konnte jedoch gerettet werden. Żuławski wurde wegen „Verschwendung von Staatsgeldern“ verhaftet.

Über zehn Jahre später schnitt er eine finale Fassung aus den Fragmenten so gut es eben ging – die Lücken in der Erzählung schildert der Regisseur aus dem Off selbst – und zeigte sie 1988 in Cannes. Ein eindrucksvolles Epos entrinnt gerade so der Vernichtung und kann eine Dekade später schließlich doch noch auf die Welt losgelassen werden, mit all dem Wahnsinn menschlichen Geistes und Glaubens, mit Aufnahmen von surrealer Schönheit; ausschweifend, philosophisch, wuchtig.

Possession

Possession

Sam Neill bezeichnete einmal Andrzej Żuławskis Possession als seinen besten ausländischen Film, in dem er je mitspielte. Und auch heute noch gilt das bizarre Horrordrama bei Cineasten als Kultstreifen des europäischen Arthousefilms und als eines der zentralen Werke im Schaffen des polnischen Regisseurs.

Die Ausgangslage der Handlung ist dabei zunächst einmal recht gewöhnlich und bietet allen Stoff für ein konventionelles Beziehungsdrama. Mark (Sam Neill) kehrt nach einer langen Geschäftsreise nach Berlin zurück, nur um zuhause festzustellen, dass sich seine Frau Anna (Isabelle Adjani) in der Zwischenzeit von ihm derart distanziert hat, dass sie vorhat, ihn mit dem fünfjährigen gemeinsamen Sohn Bob zu verlassen. Der Grund dafür ist naheliegenderweise ein anderer Mann. Von seinen Emotionen getrieben, sucht Mark besagten Neuen in Annas Leben auf, den narzisstischen Heinrich (Heinz Bennent). Doch dem ist er nicht gewachsen. Die Situation beginnt aussichtsloser zu werden. Und als wären die Probleme nicht ohnehin schon groß genug, dass die hysterischen Streitereien zwischen Mark und Anna bisweilen drastisch eskalieren, beginnt das Drama spätestens dann in finstere Abgründe zu gleiten, als Mark mittels eines Privatdetektivs herausfindet, dass seine Frau sowohl ihn, als auch Heinrich mit einem weiteren Liebhaber betrügt. Dieser jedoch ist eine gefährliche, schleimige, nichtmenschliche Abscheulichkeit besonderen Ausmaßes.

Entfremdung ist das Stichwort, eines der Hauptmotive, dem Żuławski zum einen mit der tatsächlichen physischen Absonderlichkeit in Form der widerwärtigen Kreatur Ausdruck verleiht. Auf der anderen Seite wird der Zuschauer stets mit Situationen konfrontiert, die die Frage nach Menschlichkeit, nach dem Mensch sein stellen. Besonders Annas geistiger Wandel in psyschiche Finsternis steht im Blickpunkt. Isabelle Adjani spielt mit kraftvollem Wahnsinn eine Frau, die in ihrer Besessenheit tatsächlich fast schon mehr einem Dämonen als einem Menschen gleicht. Weit aufgerissene Augen und hysterische Schreie sind nur der Anfang in ihren immer heftiger ausartenden physischen und psychischen Konflikten mit ihrem Mann Mark. Doch auch der scheint die gesamte Situation mehr schlecht als recht zu verkraften. Wirkt er anfangs ordentlich, ruhig und sachlich, ist er im weiteren Verlauf des Filmes immer weniger wiederzuerkennen. Insgesamt ist natürlich auch der Film selbst vor allem durch Annas neuesten „Freund“ im Prozess einer Art Entfremdung von Drama mehr und mehr zu surrealem Horror. Ein weiteres wichtiges Motiv ist natürlich die Trennung, die bereits in der Eingangsszene mit dem Anblick der Berliner Mauer symbolisch angedeutet und schließlich zum Unterbau der Handlung wird. Als Zuschauer wird man allerdings nie ganz das Gefühl los, dass sich Mark und Anna all ihrem Zorn zum Trotz  nicht völlig trennen wollen oder können. Anziehung und Ekel wechseln sich so immer wieder ab und erzeugen eine emotionale Achterbahnfahrt der besonderen Art.

Auf visueller Ebene fällt natürlich in erster Linie das Monster auf. Żuławski zeigt uns hier ein glitschiges Tentakelding, das ein David Cronenberg nicht besser hätte hinbekommen können. Die Kamera des Films darf getrost als nervös bezeichnet werden. Gerade die besonders starken Szenen werden in ängstlich ausweichenden Bildern festgehalten, um die Wirkung zu intensivieren. Das verlangt vielleicht ein bisschen Eingewöhnung, unterstreicht die Atmosphäre allerdings vorzüglich.

Possession ist eine groteske Mixtur aus Beziehungsdrama und Monsterhorror voll von Symbolen, Schleim, Blut und intensivem Schauspiel. Ein beeindruckender Film mit einer groß aufspielenden Isabelle Adjani.