Der Gott des Gemetzels

Der Gott des Gemetzels

So nah sich Theater und Film auch bisweilen stehen, eine Adaption von einem Medium in das andere ist keine leichte Aufgabe. Hart ausgedrückt gibt nicht wenige Stücke, die in ihrer Verfilmung trotzdem nur bloß wie ein mit der Kamera aufgenommenes Bühnenspiel daherkommen und die ganz eigene Sprache des Films zu vergessen scheinen. Roman Polański allerdings gelingt es mit seinem neuesten Werk Der Gott des Gemetzels, die Stärken des Theaters hervorzubringen und in eine kurzweilige und bissige Komödie zu verpacken.

Die Handlungsprämisse ist simpel: New York. Ein elfjähriger Junge schlägt einem gleichaltrigen Mitschüler im Streit mit einem Stock ins Gesicht. Anschließend treffen sich die Eltern des Schlägers, Nancy (Kate Winslet) und Alan Cowen(Christoph Waltz), mit den Eltern des Opfers, Penelope (Jodie Foster) und Michael Longstreet (John C. Reilly) in deren Wohnung, um sich zu entschuldigen und zu einer Einigung zu gelangen, denn immerhin hat der Sohn der Longstreets durch den Hieb sogar zwei Schneidezähne verloren. Ein zivilisiertes Gespräch unter Erwachsenen hätte nach wenigen Minuten sein Ende nehmen können, hätten sich die Cowens nicht überreden lassen, doch noch auf einen Kaffee zu bleiben. In der Folge stellt sich heraus, dass der Vorfall alles andere als geklärt ist. Diskussionen, verbale Seitenhiebe und wechselnde Fronten zeigen auf, dass sich hinter der erwachsenen Fassade ein streitsüchtiges Quartett befindet, dass sich zwar mit anderen Mitteln, aber dennoch einen weit heftigeren Kampf liefert als die Kinder. Unvereinbare Weltsichten werden offenbar, treffen aufeinander und werden schließlich durch Alkohol in eine gnadenlose Abrechnung katalysiert, die vor allem eines ist: Wahnsinnig amüsant.

Polańskis Komödie lebt natürlich von den Dialogen. Es gibt zwar kleinere Slapstickelemente, die unter anderem ein Handy, Tulpen und Erbrochenes involvieren, aber der Fokus liegt klar auf den Charakteren und was sie so von sich geben, um ihr Gegenüber nach allen Regeln der Kunst zu vernichten. Das ist natürlich naheliegend und bei Yasmina Rezas Theatervorlage „Le dieu du carnage“ nicht anders. Ihr Stück ist einer der größten Broadway-Erfolge der letzten Dekade und brachte unzählige Menschen zum Lachen. Umso besser also, dass die Französin auch am Drehbuch der Adaption mitschrieb, um der Geschichte ihre bissige Wortgewandtheit zu bewahren.

Ein solches Konzept wie Der Gott des Gemetzels, in dem sich vier Menschen auf engstem Raum in verbaler Kriegsführung üben, kann sich aber selbstverständlich nur auf hervorragende Schauspieler stützen, um Erfolg zu haben. Glücklicherweise überzeugt das Darstellerquartett auf ganzer Linie, sei es Jodie Foster als intellektueller Gutmensch oder Christoph Waltz als arroganter und gewissenloser Anwalt, Kate Winslet als besoffene Brokerin oder John C. Reilly, hinter dessen anfangs sympathischer Fassade ein Macho mit Minderwertigkeitskomplexen zum Vorschein kommt. Alle vier spielen ihre Charaktere authentisch und effektiv, auch wenn diese leider ein wenig stereotyp sind und sich in der kurzen Laufzeit des Films nicht weiter entfalten können. Andererseits ist es aber auch erstaunlich, wie viel in den nur gut 80 Minuten zum Vorschein kommt. Polański hält seine Komödie kompakt und pointiert. Keine Zeile wirkt überflüssig; Längen sucht man vergebens. Ein längerer Handlungszeitraum hätte zwar vielleicht die Charaktere vertieft, aber vielleicht käme Der Gott des Gemetzels dann auch nicht so gut auf den Punkt. So bleibt es ein starker Film über vier Erwachsene, die sich im Grunde keinen Deut zivilisierter als ihre Kinder verhalten, all ihre Zurückhaltung ablegen und sich in ihrer Borniertheit regelrecht zerfetzen. Für den Zuschauer besteht dabei die Gefahr, sich regelrecht tot zu lachen. Vorsicht!

Ekel

Ekel

Roman Polański macht ja in der letzten Zeit eher durch ein schweres Sexualdelikt Schlagzeilen, wenn man sich aber an seiner Filmographie entlanghangelt, stößt man 1965 auf einen im wahrsten Sinne des Wortes wahnsinnigen Film, auf Ekel, das verstörende Porträt einer jungen Frau, die auf dem Weg in geistige Abgründe zu radikalen Handlungen greift.

Die junge Belgierin Carole Ledoux (Catherine Deneuve) arbeitet als Maniküre und lebt mit ihrer Schwester Hélène (Yvonne Furneaux) in einem Londoner Apartment. Im Gegensatz zu ihrer Schwester, deren Geliebter Michael (Ian Hendry) sie immer wieder besucht, ist Carole allein, schüchtern und zurückgezogen. Ihren Verehrer Colin (John Fraser) weist sie stets ab und die persönlichen Dinge von Michael, die sie im Apartment findet, entfachen in ihr eine regelrechte Abscheu. Nachts kann Carole nicht schlafen, weil sie Hélène und Michael beim Sex im Nebenzimmer hören muss. Als die beiden aber schließlich für zwei Wochen nach Italien verreisen, verfällt Carole in ihre eigene paranoide Welt voller Wahnvorstellungen und – natürlich – Ekel, voller Angst und Verstörung gegenüber Männern, voller Apathie und Verwahrlosung. Ein verwesender Hase, den Carole unzubereitet im Wohnzimmer stehen lässt, spiegelt ihren psychischen Verfall symbolisch wieder, der sich letztlich aber auch in physischer Gewalt äußern wird, denn Carole bleibt nicht allein…

Repulsion ist ein horrorartiger Psychothriller wie aus einem Guss. Die Perspektive bleibt fast durchgehend intern fokalisiert und lässt den Zuschauer alles durch die verstörte Sicht Caroles wahrnehmen. Die Halluzinationen äußern sich dann beispielsweise in immer größer werdenden Rissen in den Wänden des Apartments oder in einer Vielzahl von Händen, die sich gierig nach Carole ausstrecken. Diese Symbole sind einfach und direkt, verfehlen allerdings nicht ihre Wirkung. Die Stimmung wird im Verlauf des Films immer beklemmender. Lange Abschnitte ohne gesprochenen Dialog unterstützen die isolierende Atmosphäre. Visuell präsentiert sich Repulsion in einer hübschen Schwarz-Weiß-Ästhetik, die im Verlauf des Films mehr und mehr auf Kontraste setzt. Die Musik drängt sich bisweilen penetrant in den Vordergrund, bohrt aber dadurch ebenso nett im Kopf des Zuschauers wie die Halluzinationen in Caroles Psyche.

Polańskis Ekel ist eine abgründige Reise in den sich steigernden Wahnsinn einer von Abscheu ergriffenen introvertierten Frau, ein Alptraum mit eindrucksvoll katatonischem Finale; ein Film, den man am besten im abgedunkelten Zimmer genießt. Im Gegensatz zu vielen heutigen Shockern herrscht hier noch eine tatsächliche unbehagliche, angsteinflößende Atmosphäre, wenngleich sie hier nicht in kurzen Wellen daherkommt, sondern schleichend Stück für Stück wächst und dem Zuschauer bis zum Ende keine erleichternden Pausen mehr lässt.