King of Devil’s Island

King of Devil's Island

Heute sind Gefängnisfilme wahrlich keine Seltenheit mehr. Es erweist sich dadurch als immer schwieriger, den Klischees zu entkommen und das Genre mit frischen Ideen zu bereichern. Trotzdem begeistert das europäische Kino in den letzten Jahren durch packende, stark inszenierte Dramen, deren Setting die Haftanstalt ist. Filme wie Hunger (Steve McQueen, 2008)  und Ein Prophet (Jacques Audiard, 2009) machen vor, wie moderne Dramen über Gefangenschaft aussehen können. Der erst in diesem Jahr in Deutschland angelaufene Kongen av Bastøy, der international auch als King of Devil’s Island bekannt ist, soll nun die norwegische Antwort darauf sein und gehört dort zu den meistbesuchten Kinofilmen der jüngeren Vergangenheit.

Norwegen, 1905: Etwa 75 Kilometer südlich von der norwegischen Hauptstadt, mitten im Oslofjord, liegt die kleine Insel Bastøy. Auf dem sehr überschaubaren Eiland befindet sich ein Jugendgefängnis für straffällige Jungen, das ganz ohne meterhohe Mauern und bewaffnete Wächter auskommt. Stattdessen verrichten die Häftlinge Tag für Tag harte Arbeit, bevor sie in ihre Schlafbaracken zurückkehren dürfen. Anstaltsleiter Håkon (Stellan Skarsgård) ist davon überzeugt, die Jungen mit strenger Hand zurück zur christlichen Vernunft zu bringen. Als jedoch der rebellische Erling (Benjamin Helstad) nach Bastøy geschickt wird und in seinen Mitgefangenen den Gedanken an Widerstand wachsen lässt, ändert sich die Lage beträchtlich. Eine Revolte liegt in der Luft…

Regisseur Marius Holst inszeniert die Geschichte in kühlen, klaren Bildern. Besonders in den winterlichen Außenszenen besticht der Film durch eine frostige Farbarmut, die außerordentlich dazu beiträgt, dem Zuschauer ein Gefühl von klirrender Kälte zu vermitteln. Kamera und Schnitt sind hervorragend; Holst verzichtet auf aufdringliche, formalistische Spielereien, vergisst aber zugleich nicht, jeder Szene – allein was bereits die Bildkomposition angeht – eine gewisse Grundspannung zu verleihen. King of Devil’s Island ist technisch hochwertig produziert und spricht handwerklich durch seine ausgewogene Dynamik sowohl Mainstream- , als auch Arthousepublikum an.

Da der Film darum bemüht ist, die realen Zustände auf Bastøy im frühen zwanzigsten Jahrhundert wiederzugeben, ist er unzweifelhaft auch ein historisches Drama. Die Demütigung und die Erniedrigung, die die Gefangenen am eigenen Leib erfahren müssen, ist erschreckend und wirkt umso intensiver, wenn man ihre Authentizität bedenkt. Obwohl es sich nicht um eine klassische Haftanstalt handelt, ist die physische und psychische Gewalt gnadenlos. Räumlich ein Stück weit von der restlichen Gesellschaft abgeschottet, kann der Leiter unter dem Vorwand christlicher Erziehung sein unmenschliches Regime führen.
Untrennbar mit der sozialkritischen Wirkung verknüpft, ist natürlich der emotionale Impakt auf den Zuschauer. Wir sind stets nah dran am Geschehen, erfahren die Missstände, aber auch den wachsenden Zusammenhalt der Jungen. Damit das so funktioniert, wie von Holst beabsichtigt, ist glaubwürdiges Schauspiel vonnöten. Diese Aufgabe meistern die jungen Darsteller mit Bravour, allen voran Benjamin Helstad als Erling und Trond Nilssen als sein neuer bester Freund Olav. Selbstverständlich sorgen die klaren Rollenverteilungen bereits dafür, dass sich der Zuschauer zweifellos auf die Seite der Jungen schlägt, doch Holst versäumt es glücklicherweise nicht, seinen Protagonisten genug Profil zu geben, sodass man auch auf menschlicher Ebene zu ihnen stösst und nicht nur bloß durch die Handlungsprämisse.

King of Devil’s Island ist eine Perle des norwegischen Films, ein historisches Gefängnisdrama über fragwürdige Ethik und berührende Einzelschicksale, das auf stilsichere Art Klischees umschifft und sich mit den Genregrößen messen kann.