Der Höllentrip

Der Höllentrip

Vier Jahre nach Network (Sidney Lumet, 1976) wagte sich Paddy Chayefsky mit einem auf seinem eigenen Roman basierenden Drehbuch an eine bizarre Geschichte über einen Universitätsprofessor und dessen Selbstexperiment zu erweiterten Bewusstseinszuständen, die von Ken Russell eindrucksvoll inszeniert und mit William Hurt herausragend besetzt wurde: Der Höllentrip.

Edward Jessup (William Hurt) ist Professor für Psychologie und beschäftigt sich im Rahmen seiner Untersuchung von Schizophrenie mit sensorischer Deprivation, also dem völligen Entzug aller Sinneseindrücke. Gemeinsam mit seinem Freund und Mitarbeiter Mason Parrish (Charles Haid) experimentiert er zu diesem Zweck mit einem Isolationstank, in den er sich regelmäßig, völlig von äußerer Wahrnehmung abgeschottet, für mehrere Stunden begibt. Der Grundgedanke, der Jessups Forschung motiviert, ist die Theorie, dass andere Bewusstseinszustände gleichermaßen real seien wie der Wachzustand eines Menschen. Nachdem er in Mexiko einem Ayahuasca-Ritual beiwohnt, bei dem traditionell nach Art der Schamanen ein Trank mit dem psychoaktiven Wirkstoff DMT verabreicht wird, ist er von den dort erlebten Bildern derart beeindruckt, dass er sein Experiment um eben jenes Gebräu erweitert. Die Kombination von Halluzinogenen und Isolationstank lässt Jessup allerdings faszinierende psychische und physische Veränderungen mit nicht ungefährlichen Folgen durchleben.

Wie sich anhand des Inhalts bereits erahnen lässt, liegt bei Der Höllentrip, als Film über Psychoaktive Substanzen und bewusstseinsverändernde Prozesse, einer der Schwerpunkte auf der visuellen Gestaltung. Ken Russell erreicht in den Sequenzen, in denen Jessups Wahrnehmung äußerst surreal, fast schon chaotisch anmutet, eine bildgewaltige, psychedelische Ästhetik. Besonders ansehnlich sind die Spezialeffekte, deren Grundlage die Aufnahmen von unter einem Mikoskop betrachteten chemischen Reaktionen sind. Eine ähnliche Technik wird Jahre später auch in Darren Aronofskys The Fountain (2006) verwendet und sorgt  dort ebenfalls für starke Bilder.
Wenn man jedoch Der Höllentrip bloß als wirren, bunten Drogenfilm abstempelt, wird man ihm nicht gerecht. Das Interessante ist schließlich, dass sich der Film einer genauen Einordnung in ein Genre verweigert. Neben den eindrucksvoll visualisierten Trips, besticht die Geschichte auch durch eine Reihe spannender Diskussionen der Protagonisten untereinander, die psychologische und philosophische Aspekte existentialistischer Fragen beleuchten. Diese diskursive Komponente erweitert den Film um Gesichtspunkte, ohne die er sich ansonsten vielleicht Vorwürfe bezüglich  style over substance gefallen lassen müsste. So aber gelingt es dem Drehbuchautor, erstaunlich viele interessante Informationen über die Charaktere zu transportieren, die den Film neben einer sinnlichen auch zu einer intellektuellen Erfahrung machen.
Ein weiterer stark ausgeprägter Aspekt des Films ist der körperliche Horror. Die dargestellten physischen Veränderungen des Professors schlagen da eine deutliche Richtung ein. Dies ist allerdings auch eine der Schwächen von Der Höllentrip, die vor allem im letzten Drittel der Handlung zu Tage tritt. Die Horrorelemente sind nicht schlecht inszeniert, keine Frage, aber die generelle Entwicklung, die der Film gegen Ende nimmt, wird dem über die erste Filmhälfte gezeigten Potential nicht gerecht. Nichtsdestotrotz ist der Abschluss versöhnlich genug und schmälert das gesamte Filmerlebnis nur in geringem Maße. Zudem macht die überzeugende Leistung William Hurts so einige kleine Makel wieder wett.

Ken Russell ist somit ein spannender, philosophischer und faszinierender Trip in den menschlichen Geist gelungen, eine Art psychologische Studie über Bewusstseinserweiterung und intellektueller Horrorfilm zugleich.

Dark City

Dark City

Das Science-Fiction-Genre wurde um die Jahrtausendwende vor allem vom Blockbuster Matrix (Andy & Lana Wachowski, 1999) bestimmt. Neben den herausragenden Spezialeffekten begeisterte besonders das Grundkonzept über die Unsicherheit von Wahrnehmung, Erinnerung und – daraus folgend – Realität. Schade ist allerdings, dass das breite Publikum den bereits wenige Monate zuvor erschienenen Dark City in der Hinsicht fast völlig missachtete. Dabei hätte Alex Proyas‘ düsterer Sci-Fi-Thriller im Film-Noir-Gewand weitaus mehr verdient, als bloß in Cineastenkreisen bekannt zu sein.

John Murdoch (Rufus Sewell) erwacht in einem ihm unbekannten Hotelbadezimmer in einer Badewanne. Er weiß weder wie er hier hingekommen ist, noch was geschehen ist. Neben dem Bett liegt die Leiche einer jungen Frau. Kurz darauf klingelt das Telefon und ein nervöser Dr. Schreber (Kiefer Sutherland) am anderen Ende rät Murdoch, umgehend zu fliehen. Tatsächlich sind bereits drei in schwarze Mäntel gehüllte Gestalten auf ihrem Weg durch die Hotelflure. Murdoch entkommt vorerst, doch die einzigen Anhaltspunkte seiner bruchstückartigen Erinnerung sind eine Frau namens Emma (Jennifer Connelly) und ein Ort namens Shell Beach. So viele Fragen der Filmbeginn für Protagonist und Zuschauer gleichermaßen aufwirft, so beeindruckend enthüllt Regisseur Proyas die Antworten Stück für Stück im weiteren Handlungsverlauf.

Warum haben es diese seltsamen Typen auf Murdoch abgesehen? Sind sie eventuell nur Konstrukte seines Geistes? Warum kann sich Murdoch eigentlich nicht mehr erinnern? Ist er tatsächlich ein von Inspector Bumstead (William Hurt) gesuchter Mörder? Und welche Ziele verfolgt eigentlich der ominöse Dr. Schreber? In Bezug auf den Plotinhalt wären weitere Fragen oder Hinweise schon zu viel des Guten, denn gerade bei einem Film wie Dark City, dessen enthüllende Plotpoints die Stützpfeiler der Handlung sind, kann so manche riskante Andeutung im Voraus den Spaß verderben.
Das Setting selbst ist – wie der Titel schon erahnen lässt – eine dunkle Stadt. Dunkel allein schon deshalb, weil der Plot sich im Zwielicht der Nacht entfaltet. Zwischen Laternenschein und Leuchtreklame trifft der Gothic Style aus Proyas‘ The Crow (1994) auf das Art-Déco-Design von Die Stadt der verlorenen Kinder (Jean-Pierre Jeunet & Marc Caro, 1995) und auf deutschen Expressionismus. Die spannende Atmosphäre des Geschehens pendelt irgendwo zwischen Hitchcock, Lang und Kafka, büßt gegen Ende mehr und mehr an Subtilität ein, weiß aber grundsätzlich zu überzeugen. Getreu dem Film-Noir-Stil der Nachkriegszeit bestimmen auch bei Proyas starke Kontraste und kräftige Schatten die Szenenbeleuchtung.

Dark City ist ein finsterer Mix aus Neo Noir und Science Fiction, dessen packende Suche nach Antworten die Realitätswahrnehmung mehr als ein Mal in Frage stellt; Alex Proyas gelang ein stilsicherer Thriller, der in Sachen Art Design und visuelle Effekte fast zeitlos zu gefallen weiß und bis heute unverdient wenig Beachtung geschenkt bekommt.