Spirits of the Air, Gremlins of the Clouds

Spirits of the Air Gremlins of the Clouds

Der in Ägypten geborene australische Regisseur Alex Proyas hat zwar nur gut eine Handvoll Filme gedreht, ist aber inzwischen sowohl beim Publikum, als auch bei den Kritikern für die gekonnten Realisierungen düsterer Science-Fiction-Stoffe bekannt. Zu den wichtigsten Filmen seines Œuvres gehören die kultige Comicverfilmung The Crow (1994), der mysteriöse Neo-Noir-Thriller Dark City (1998) und die lose Asimov-Adaption I, Robot (2004). Sein kleines, 1989 im australischen Outback gedrehtes Langfilmdebüt namens Spirits of the Air, Gremlins of the Clouds wird hingegen außerhalb Australiens fast gar nicht mehr wahrgenommen und droht, in Vergessenheit zu geraten. Ein Umstand, den das postapokalyptische Sci-Fi-Drama nicht verdient hat.

Die ersten Filmminuten zeigen uns einen in Schwarz gewandeten Mann (Norman Boyd) auf seinem Weg durch wüstes Ödland. Endlose Reihen von Telefonmasten, halb im Sand steckende Autowracks und Ansammlungen von christlichen Kreuzen sind die einzigen Anzeichen einer längst vergangenen Zivilisation bis er eine einsame Hütte erreicht, die von einem merkwürdigen Geschwisterpaar bewohnt wird. Felix (Michael Lake) sitzt im Rollstuhl und gibt sich als zerstreuter Erfinder mit dem Traum von der eigenen Flugmaschine, während sich seine Schwester Betty (Melissa Davis) in ihre Glaubenswelt zurückzieht und dem Fremden mit extremem Misstrauen begegnet. Smith – so stellt sich der Mann den beiden vor – inspiriert Felix, seine Sehnsucht vom Fliegen zu verwirklichen und seine Pläne in die Tat umzusetzen, um die Berge, die die nukleare Wüste umgeben, zu überqueren und diesen Ort ein für allemal hinter sich zu lassen. Doch Betty ist nicht einverstanden, betrachtet den mysteriösen Fremden, der so wenig von sich preisgibt, als den Teufel leibhaftig und stellt sich dem Vorhaben mit fanatischer Hysterie entgegen.

Die ersten Einstellungen geben bereits die Marschrichtung vor: Spirits of the Air, Gremlins of the Clouds folgt Proyas‘ äußerst durchdachtem Konzept eines Endzeitdramas, den er – und das ist wirklich beeindruckend – mit nicht mehr als 500.000 australischen Dollar realisierte. Angesichts des ausgezeichneten Setdesigns, das mit seiner wüsten Leere, den technologischen Relikten und der religiösen Symbolik eine fast traumartige, hypnotische Atmosphäre erzeugt, kann man vor dem Regisseur nur den Hut ziehen. Mit bescheidenen Mitteln erschafft Proyas eine geschlossene Welt mit aufeinander abgestimmten Elementen. Smiths wortlose Wanderung durch die karge Ödnis, auf der Flucht vor fernen, unbekannten Verfolgern, wird von sphärischen Klanglandschaften begleitet, die Peter Miller eigens für Proyas‘ Projekt komponierte und die ein passendes Gefühl von Isolation, Fremdartigkeit und Mystizismus heraufbeschwören.

Fortan konzentriert sich die Handlung vordergründig auf den Bau einer Flugmaschine und wird dadurch zu einer Geschichte der Hoffnung, aber auch der Ängste und Zweifel. Während oberflächlich betrachtet, aufgrund des auch eher ruhigen, langsamen Erzähltempos nicht viel zu passieren scheint, spielen sich die primären Konflikte allerdings merklich auf der psychologischen und emotionalen Ebene ab. Die ziellose, aber geregelte Existenz von Felix und Betty bekommt mit der Ankunft Smiths einen entscheidenden Anstoß. Der Fremde verschiebt den Fokus der beiden Geschwister und wird auf diese Weise zum tragenden Element der inneren Dynamik in einer äußerlich nahezu ausgestorbenen Welt.

Für einen derart niedrig budgetierten Film ist Spirits of the Air, Gremlins of the Clouds eine definitiv sehenswerte Überraschung. Proyas‘ erster Film ist ansehnlich, berührend und ob seiner ungewöhnlichen Eigenheit, die unserer Wirklichkeit teilweise so nah und doch so fern ist, ungemein faszinierend.

Santa Sangre

Santa Sangre

Nachdem Alejandro Jodorowskys Dune-Projekt Mitte der Siebziger Jahre gescheitert war und er 1980 mit Tusk einen Film drehte, der kaum etwas mit seiner einzigartigen Handschrift gemein hatte, kehrte der Regisseur 1989 endlich zu seinen surrealistischen Wurzeln zurück, die El Topo (1970) und Montana Sacra (1973) einst ausgezeichnet hatten. So entstand mit Santa Sangre ein bizarres, aber vor allem sehr emotionales Drama um einen verstörten Mann, der unter dem Willen seiner besitzergreifenden Mutter zu leiden hat.

Die Handlung beginnt mit dem Protagonisten Fenix im Kindesalter (Adan Jodorowsky), der bei einem Wanderzirkus aufwächst. Sein Vater Orgo  (Guy Stockwell) ist der tätowierte Messerwerfer der Show, seine Mutter Concha (Blanca Guerra) ist Trapezkünstlerin. Während Orgo allerdings seine sexuellen Gelüste auf seine Messer überträgt, hält Concha von derlei weltlichen Versuchungen nichts und leitet stattdessen eine Kirche, in der eine Heilige angebetetet wird, die vor langer Zeit Opfer einer Vergewaltigung war und beide Arme abgetrennt bekommen hatte. Versinnbildlicht wird dies durch das titelgebende „heilige Blut“ der Verehrten, das in Wahrheit nur ein Becken voller roter Farbe ist. Doch schon bald überschlagen sich die Ereignisse und lassen den jungen Fenix vollkommen traumatisiert zurück. Er muss nämlich mit ansehen, wie die eifersüchtige Concha ihrem Mann den Genitalbereich wegen Fremdgehens verätzt, Orgo jedoch schlägt ihr vor seinem Ableben schließlich beide Arme ab. Fenix vegetiert daraufhin die nächsten Jahre in einer Irrenanstalt vor sich hin. Als eines Tages Concha wieder auftaucht und ihren mittlerweile erwachsenen Sohn (Axel Jodorowsky) aus der Anstalt holt, hat sie nur eines im Sinn: Fenix soll fortan wörtlich ihre Arme ersetzen. Sklavisch beugt sich der junge Mann seinem Schicksal, bis plötzlich eine fast vergessen geglaubte Kindheitsfreundin, Alma (Sabrina Dennison), auftaucht, die seine Schale aus blindem Gehorsam und unterdrückten Gefühlen aufzubrechen vermag.

Zwar inszeniert Jodorowsky seinen Film mal wieder als groteskes Spektakel voller surrealer Skurrilitäten, doch bleibt er hier vergleichsweise bodenständig. Im Gegensatz zu seinen früheren Werken ist die Welt von Santa Sangre weit weniger metaphorisch aufgeladen. Zwar sind die Charaktere und ihre Geschichten nach wie vor äußerst ungewöhnlich, ja geradezu als seltsam zu bezeichnen, doch die groß angelegten existentialistischen Symbole, die den Zuschauer zum intensiven Nachdenken anregen sollen, sucht man eher vergebens. Nicht der Geist steht dieses Mal im Vordergrund, sondern die Gefühle. Wie schon früher entschied sich Jodorowsky dafür, in den wichtigen Szenen Bilder statt Worte sprechen zu lassen. Besonders der Umstand, dass Alma stumm ist und ihre Zuneigung zu Fenix nur über Gestik und Mimik ausdrücken kann, sorgt hierbei für starke emotionale Szenen.

Das Drama ist zwar aufgrund seines weniger kryptischen Plots möglicherweise zugänglicher als El Topo und Montana Sacra, aber von Massentauglichkeit ist der Film nach wie vor ein Stück entfernt. Die Symbole und Metaphern sind nicht so verschlüsselt wie man sie von Jodorowsky erwarten könnte, aber nach wie vor in nicht wenigen Szenen präsent und unterstreichen den unverwechselbaren visuellen Stil des Kultregisseurs. Gewaltszenen gibt es außerdem nicht viele, aber wenn, dann sind sie gewohnt grafisch inszeniert. Santa Sangre ist letzlich ein ergreifendes, mit Bedacht in Szene gesetztes Werk, das seine surreale Natur zu keinem Zeitpunkt gänzlich verleugnen kann oder will.