Dog Bite Dog

Dog Bite Dog- FilmplakatDass das Hongkong-Kino inzwischen gerne immer wieder Antithesen zum einst so glorreichen Heroic-Bloodshed-Genre hervorbringt, ist nichts neues, doch wie viele Filme wagen wirklich den endgültigen Schritt in absolut nihilistisches Territorium? Eine Antwort darauf liefert Cheang Pou-Soi mit vielleicht einem der unangenehmsten HK-Thriller überhaupt: Dog Bite Dog.

Ein namenloser Auftragskiller (Edison Chen) aus Kambodscha wird nach Hongkong geschickt, um die Frau eines Richters umzubringen. Nachdem er seinen Job, einer Hinrichtung gleich, kaltblütig in einem Restaurant zu Ende bringt, ist er auf der Flucht vor der Mordfahndung der Polizei. Als er seiner Verhaftung nur knapp durch das Töten eines Polizisten entkommt, wird die Jagd nach dem scheinbar vollkommen moralbefreiten Killer zu weit mehr als bloßer gesetzestreuer Pflicht. Inspektor Ti Wai (Sam Lee) macht daraus seine ganz persönliche Vendetta, bei der er nicht nur einmal die Grenzen der Legalität überschreitet.

Was narrativ zunächst nicht gerade als innovative Prämisse anmutet, entwickelt sich zu einer gnadenlosen Tour de Force, die von den Figuren, aber auch vom Zuschauer alles abverlangt. Inspektor Wai bleibt nicht viel Zeit, will er den wortkargen Killer zu fassen bekommen, bevor dieser Hongkong – vermutlich per Boot – verlässt. Letzterer stößt auf einer Müllhalde in Form der autistischen Yue (Pei Weiying) auf ungewöhnliche Unterstützung und entwickelt zum ersten Mal so etwas wie einen Hauch Menschlichkeit, der in starkem Kontrast zu seiner unerbittlichen, kompromisslosen Art steht, mit der er links und rechts Menschen aus dem Weg räumt, um seine eigene Haut zu retten. Auf der anderen Seite dringt Inspektor Wai emotionaler immer tiefer in die Geschichte ein, dass darunter seine Rechtschaffenheit mehr und mehr zur Nebensache verkommt, während er in seiner persönliche Verfolgung des Mörders von Zorn und Rachegefühlen getrieben wird.

Dog Bite Dog zeichnet kein schönes Bild von Hongkong. Die eigentlich farbenfrohe Metropole bekommen wir in teils monochromen Gelb- und Grautönen zu sehen, was die einsame, abseitige Atmosphäre nur noch mehr unterstreicht, denn die tragenden Charaktere sind Außenseiter, die neben der Gesellschaft und fern von jeder Moral stehen. Immer wieder werden die faszinierenden, ruhig inszenierten Augenblicke von einer erschreckenden Brutalität unterbrochen, die den Werteverfall aller involvierten Parteien überdeutlich aufzeigt. Selbst die wenigen Momente, in denen so etwas wie Schönheit und Unschuld durchschimmert, werden als äußerst vergänglich offenbart und stets schon bald mit einer bestialischen Wucht zerschmettert. Wai und der Killer sind Jäger und Gejagter, zwei Duellanten, deren Wege sich zwangsläufig immer wieder kreuzen. Bei jeder Begegnung scheint ein weiteres Stück Menschlichkeit verloren zu gehen, bis sie wie räudige Hunde nur noch darauf aus sind, sich gegenseitig zu zerfleischen.

Zelebriert wird die extreme Gewalt dabei nie. Im Gegenteil, eine gewisse Faszination lässt sich zwar nicht leugnen, doch der Effekt ist vor allem unangenehm, erschreckend, desillusionierend. Bilder der körperlichen und seelischen Zerstörung, die an Filme eines Kim Ki-duk oder Nicolas Winding Refn erinnern und gar nicht anders können, als den Zuschauer hinterher mit einem hässlichen Gefühl von innerer Leere zurückzulassen.


Originaltitel: Gau ngao gau
Regie: Cheang Pou-Soi
Drehbuch: Cheang Pou-Soi, Matt Chow, Szeto Kam-Yuen
Produktionsland: Hongkong, Japan
Produktionsjahr: 2006

Copyright der Bilder: Bavaria Film

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6 Gedanken zu “Dog Bite Dog

  1. Von all dem was ich bisher von dem Film als Bildmaterial gesehen habe, hätte ich ihm kaum Hongkong als Produktionsland zugetraut. Eher Thailand oder Indonesien… Macht Lust auf mehr sofern man hier überhaupt von Lust sprechen kann.
    Dagegen wird dir „Accident“ vom gleichen Regisseur vermutlich viel zu glattpoliert erscheinen… auch wenn er nicht gerade ein Grinsen im Gesicht trägt.

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    1. Ja, stimmt schon. Die raue Ästhetik ist durchaus etwas untypisch für Hongkong.

      Och, ich bin nach wie vor gespannt. „Glattpoliert“ geht sicher auch in Ordnung, denn davon habe ich beispielsweise schließlich auch schon zahlreiche gute aus Korea gesehen. :D

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