Diese Woche wurde der erste Trailer des neuen Films von Bong Joon-ho veröffentlicht. Snowpiercer nennt sich die dystopische Comicverfilmung und scheint einiges an packender Sci-Fi-Action zu versprechen. Grund genug, einen Blick zurück auf den nunmehr vier Jahre alten Thriller Mother zu werfen. Die Erwartungen von Kritikern und Publikum waren im Vorfeld hoch, schließlich hatte der Regisseur mit The Host (2006) in Südkorea sämtliche Kassenrekorde gebrochen.
Mother handelt, wie der Titel bereits vermuten lässt, von einer Mutter (Kim Hye-ja); sie ist alleinerziehend und verdient sich ihr Geld mit dem Verkauf von Heilkräutern und Akkupunkturbehandlungen ohne gültige Lizenz. Ihr geistig zurückgebliebener Sohn Do-jun (Won Bin) lungert tagein, tagaus mit Jin-tae (Jin Goo) herum, einem moralisch fragwürdigen Störenfried, der seinen Mitmenschen nur Ärger bereitet.
Als auf einem Dach die Leiche eines Mädchens gefunden wird, klammert sich die Polizei verzweifelt an die wenigen Indizien, die sie hat. Do-jun wurde abends in der Nähe des Tatorts gesehen und findet sich prompt in einem Verhör wieder. Die zweifelhaften Methoden der Polizisten drängen den verstörten jungen Mann zu einem Geständnis und geben sich nicht weiter mit ordnungsgemäßen Ermittlungen ab. Seine entsetzte Mutter hingegen ist fest davon überzeugt, dass ihr Sohn zu einer grauenhaften Tat wie Mord überhaupt nicht fähig ist. Die einzige Möglichkeit, Do-jun vor der Einlieferung in eine Heilanstalt für Geisteskranke zu bewahren, sieht sie darin, eigene Nachforschungen anzustellen, um den wahren Mörder zu fassen und die Unschuld ihres Sohnes zu beweisen.
Hierbei wird sie zu einer Frau, die über sich hinauswächst, doch zugleich kommt sie nicht umhin, selbst einiges an Schuld auf sich zu nehmen. Die Mittel sind nicht immer sauber. Je weiter sie in ihren Ermittlungen vorstößt, desto gefährlicher wird es. Bong porträtiert seine Protagonistin als starke Frauenrolle, die uns vor Augen führt, wie weit eine Mutter bereit ist zu gehen, um ihren geliebten Sohn vor Unrecht zu bewahren. Ohne das beeindruckende Schauspiel von Kim Hye-ja hätte dies gewiss nicht derart gut funktioniert. Die Mischung aus Sorge, Unsicherheit und Zielstrebigkeit nimmt man ihr in jeder Szene ab.
Im Gegensatz zum rasanten Monsterspektakel seines vorherigen Films, hat Bong das Handlungstempo in Mother adäquat gedrosselt, jedoch glücklicherweise ohne dabei Längen aufkommen zu lassen. Der Thriller schöpft seine Spannung zum einen aus der kriminalistischen Erzählstruktur, zum anderen aus den inneren Konflikten, die mit der Figurenentwicklung der Mutter einhergehen. So nutzt Bong einmal mehr ein klassisches Genregerüst als strukturgebendes Element, das gekonnt mit einer gehörigen Portion Charakterdrama angereichert wird. Was geschieht, wenn Beschützerinstinkt zu einer destruktiven Kraft wird, deren Ausmaße eine Mutter vor sich selbst erschrecken lässt? Mother hat die Antwort.
Warum auch. Erst einmal heißt es ja nur, dass man seine Inspirationsquelle offen nennt. Gerade in letzter Zeit war es ja häufig genug der Fall, dass der Film völlig rechtens so sehr davon abweicht, dass von kaum mehr als einer losen Ideenreichung gesprochen werden kann. Und selbst, wenn er sich sklavisch an das Vorbild hält, muss das ja nicht gleich als schlechtes Omen gewertet werden. Vor allem ein Regisseur wie Wunderknabe Bong Joon-ho hat da einfach genug Vertrauen von mir, dass ich ihm zutraue, in allem zu brillieren.
Und das sagt jemand, der mit Mother leider nicht so richtig viel anfangen konnte. Mir fehlte der Zugang zu dem Film, was in erster Liniie – wie so oft – an falschen Erwartungen lag, zum Teil aber sicherlich auch so intendiert war. Aus diesem Grund wird der Streifen irgendwann auch noch mal in meinem Player landen.
Erklärter Liebling von mir ist übrigens Memories of Murder.
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Seinen HUNDE, DIE BELLEN, BEISSEN NICHT habe ich zwar noch nicht gesehen, aber ansonsten kann ich in Bezug auf Bongs bisherige Arbeiten wirklich nicht meckern. Ich fand alle drei übrigen Langfilme einfach nur großartig. Dass er jetzt bald einen neuen Film veröffentlicht, habe ich gar nicht mitbekommen, freue mich jetzt jedoch wie Sau! Da kann auch der Begriff „Comicverfilmung“, der bei mir normalerweise immer negative Gefühle hervorruft, meiner Vorfreude auf das Projekt nichts anhaben. :D
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Mir hat bisher auch alles von Bong gefallen. HUNDE, DIE BELLEN, BEISSEN NICHT kann ich ebenfalls empfehlen; ist eine nette, kleine Indiekomödie.
Was seinen neuen Film angeht, so stört mich der Begriff „Comicverfilmung“ nicht wirklich. Es gibt ja viele interessante, komplexe und auch erwachsenere Comics. Die Zeiten, in denen man deren Adaptionen auf bloße Superheldengeschichten reduzieren konnte, sind ja zum Glück vorbei, auch wenn natürlich genau diese Art von Comicverfilmungen Hollywoods Kinolandschaft dominieren. :P
Klasse Filme wie OLDBOY oder LADY SNOWBLOOD sind ja letztlich auch Comicverfilmungen von herausragender Qualität, von daher bin ich bei solchen Dingen erstmal nicht von vornherein schon skeptisch oder so. :)
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